
Beim 9. Treffen der Community of Practice zum Thema „Lehrkräfte von morgen – Offenheit von Anfang an: OER als fester Bestandteil der Lehrkräftebildung“ wurde ein Lehrprojekt der Hochschule Neubrandenburg vorgestellt, bei dem das Erstellen, Teilen und Weiterbearbeiten von offenen Bildungsmaterialen handlungsorientiert in die Ausbildung berufsschulischer Lehrkräfte implementiert wurde. Anne Lemke ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt „VR-Supervision – together in practice“ an der Hochschule Neubrandenburg, selbstständige Dozentin bei einem lokalen Bildungsträger in der Erwachsenenbildung für den Bereich Sozialpädagogik und nutzt selbst OER gezielt als sinnvolle Ergänzung in der Lehre. Co-WOERK Community Manager Chris Dömlang hat sich mit ihr darüber unterhalten, wie offene Bildungsmaterialien im Schulalltag erlebt werden, welchen Nutzen sie bringen und was Hochschulen im Bereich der Lehramtsausbildung aus der Praxis mitnehmen können.
Frau Lemke, wie hilfreich wäre es für Sie als Kollegin, wenn neue Lehrkräfte bereits OER Kompetenzen aus dem Studium mitbringen würden?
Ich denke, es wäre extrem hilfreich, weil natürlich so ein Basiswissen in Sachen OER überhaupt nicht ausreicht, um sich im Lizenzdschungel zurechtzufinden und eben selber Materialien zu erstellen. Wenn wir Kolleg:innen haben, die frisch aus der Ausbildung kommen und Ahnung vom Thema haben, dann könnten sie uns schulen. Das wäre eine Wissensweitergabe, die frischen Wind ins Kollegium bringt, und auch die Chance, Veränderungsprozesse für den Unterricht anzustoßen. Für mich wäre es ganz klar auch ein Motivationsfaktor, Lehre noch mal ganz anders zu denken.
Wo sehen Sie in ihrem eigenen Unterricht den konkreten Nutzen von offenen Bildungsmaterialien?
Wir arbeiten ja hochspezifisch. Allein dadurch, dass Bildung Ländersache ist, und gerade im Sozialbereich die Abschlüsse inhaltlich auch voneinander divergieren, ist es schon hilfreich, wenn man Basismaterial hat, was ich dann auf meinen spezifischen Unterricht nur noch anpassen muss. Es ist, glaube ich, eine große Zeitersparnis, ob ich Materialien wie Arbeitsblätter, Präsentationen, Filme oder Fallbeispiele selber erstelle, oder ob ich mich da aus einem Pool bedienen kann, den ich einfach meinen Bedürfnissen, wie ich unterrichte, und den Bedürfnissen meiner Schüler:innen entsprechend anpasse. Bei Materialien von Verlagen geht das entweder gar nicht, nur sehr eingeschränkt oder ist mit einem hohen Kostenfaktor verbunden. Letzteres wäre bei so kleinen Berufsfachschulen, wie das bei uns der Fall ist, häufig gar nicht möglich. Deshalb sind offene Bildungsmaterialien auf alle Fälle ein Mehrwert.
Gerade an Berufsschulen, wo Sie ja auch ein sehr spezifisches Fachgebiet unterrichten, ist es sicherlich auch sehr schwierig, an bestimmte Themen zu kommen. Insofern könnte es ein Vorteil sein, OERs zu nutzen, oder?
Ja, natürlich gar keine Frage. Gerade wenn man Nischenthemen unterrichtet, gibt es bundesweit vielleicht 45 andere Lehrkräfte, die das auch machen. Da wäre es natürlich toll, wenn man so eine gemeinsame Synergie schafft, indem man Materialien von anderen nutzen und auch selber welche zur Verfügung stellen kann. Das würde uns auch helfen, diese Nische fachlich besser zu füllen, weil uns die Fachliteratur da häufig überhaupt nicht entgegenkommt, und wir jedes Mal bei null anfangen. In dem Fall ist geteiltes Wissen, tolles Wissen, weil ich einfach einen Mehrwert schaffen kann.
Welchen Tipp würden Sie Einsteigern geben, und welche OER Repositorien nutzen Sie für Ihre Recherche?
Einsteigern würde ich raten, sich sehr gut zu vernetzen und vor allem sehr viel Zeit und Geduld für das Thema mitzubringen. Es braucht wirklich gute Professionelle, die sich zu Themen Lizenzen und dem rechtlichen Dschungel auskennen und einen an die Hand nehmen. Sich das Thema alleine zu erschließen, ist aufgrund des Aufwandes und der wenigen Zeit, die uns Lehrkräften insgesamt zur Verfügung steht, eine echte Herausforderung. Ich selbst nutze keine Repositorien – es gibt zu viele, und in keinem gibt es Material, das mir für meine Lehre etwas bringt. Ich nutze aktuell OER Materialien, die vorrangig durch die Bundeszentrale für Politische Bildung zur Verfügung gestellt werden, oder Lehrmaterialien, die wir intern gemeinsam im Lehrerkollegium entwickeln.
Vielen Dank für das Gespräch.