
Das größte OERcamp des Jahres hat definitiv gehalten, was es versprochen hatte: Über 200 Teilnehmende aus Schulen, Hochschulen, beruflicher Weiterbildung und politischen Institutionen trafen sich vom 4. bis 6. September 2025 beim OERcamp 2025 in Hannover, um sich in 45 selbstorganisierten Sessions und 20 Praxis-Workshops zu diversen Aspekten offener Bildung und offener, digitaler Lehrmaterialien auszutauschen.
Mit ihrem provokanten Session-Titel „OER nach dem Organspendeprinzip“ sorgten Co-WOERK Community Managerin Dr. Christin Barbarino und Henry Steinhau, Redakteur beim iRights.Lab, bereits bei der Sessionvorstellung im großen Plenum für interessiertes Raunen. Ihre Grundthese lautete: Ist das Prinzip Organspende bzw. der Widerspruchslösung eine mögliche Option, um den Durchbruch zu schaffen, offene Bildungspraxis in die Breite zu bringen? OER und OEP funktionieren momentan eher nach dem Prinzip Entscheidungslösung: Offene Bildungs- und Lehrmaterialien sind freiwillig, kein Lehrender an Berufs- oder Hochschule kann dazu gezwungen werden. Wäre es künftig hilfreich, alle selbst produzierten Lehr- und Lernmaterialien mit dem Label der Hochschule verpflichtend als offen zu deklarieren?
Diskutierte Fragen und Themen
In der lebhaften Diskussion wurden u. a. diese Fragen und Themen aufgeworfen:
- Die (alte) Frage, warum an öffentlich finanzierten Hochschulen nicht ohnehin die Regel gilt: „öffentliche Gelder, gleich öffentliches Gut“.
- Für freie Lehrkräfte sind Unterrichtsmaterialien ihr Kapital – spricht das wirklich gegen das Teilen dieser Materialien?
- In Österreich ist es mittlerweile üblich, Supportangebote aus der (Medien-)Didaktik für Lehrende an eine verpflichtende Publikation als OER zu koppeln.
- Zwang zu OER und Sanktionen für nicht abgelieferte Auflagen, z.B. in Drittmittelprojekten, sind eher nicht der richtige Weg.
- Der Wunsch nach einem deutlichen Bekenntnis von Hochschulleitungen und Regierungsverantwortlichen auf Landesebene in puncto OER Policy und Arbeitsverträgen. Wir brauchen auch eine andere Fehlerkultur, Lehrmaterialien sollen als Ausgangspunkt für eigene Weiterentwicklungen dienen. Perfektionismus ist hier nicht gefragt.
- Gelebte OER-Kultur an Hochschulen sollte gleich mit dem Welcome Paket bzw. Onboarding beginnen.
Einig waren sich alle Teilnehmenden darüber, dass Haltungen und positive Einstellungen zur offenen, digitalen und modernen Lehre nicht verordnet werden können. Ziel sollte es sein, dass kollaboratives Arbeiten und Teilen von Lehrmaterialien die Norm wird und keine Pflicht. Hierfür bedarf es eines generellen Kulturwandels im deutschen Bildungssystem.
„Mich hat die Diskussion sehr begeistert, weil sie gezeigt hat, dass offene Konferenzmethoden wie hier im Barcamp zu neuen Perspektiven und wirkungsvollen Learnings führen, die wir für unsere Arbeit im Co-WOERK Projekt gut gebrauchen können“, erklärte Christin Barbarino im Anschluss. „Das große Interesse an einer systematischen, länderübergreifenden Vernetzung bestätigt unseren Ansatz. Und deshalb möchten wir die Community weiter ausbauen und sorgfältige Infrastrukturen schaffen, die für nachhaltigen OER-Transfer an Hochschulen und in der beruflichen Bildung benötigt werden.“
Das Barcamp in Hannover waren drei intensive Tage, die von lebendigem Austausch und konkreten Projektideen und Kooperationsansätzen geprägt waren, die aber auch aufzeigten, dass Theorie und Praxis in allen Bildungseinrichtungen noch weit auseinanderklaffen.
Interessiert, was sonst noch besprochen wurde? Die Dokumentation zu allen Sessions und Workshops des diesjährigen Barcamps ist im Planungstool dOERte zu finden. In den dort verlinkten Etherpads sind alle Gedanken, Ideen, Leseempfehlungen oder weiterführenden Links ergänzt.